Fünf Wochen im Chathura-Kinderheim. Reisebericht von Anneliese Woll

  

Am 1. Oktober war in Sri Lanka Weltkindertag. Auch unser Kinderheim hat an den Wettbewerben teilgenommen. Viele Wochen haben die Kinder Lieder, Tänze und ein Theaterstück geprobt.


Mit diesem Tanz haben unsere Maedchen den 1. Platz gewonneneinen 1. Platz gab es auch fuer Prasanna und Nadika unsere Nishanthi beim Weitsprung sportliche Wettkaempfe der Kinderheime im Bezirk Galle


Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Bei dem Tanz und dem Theaterstück haben sie zwei 1. Plätze belegt und bei den sportlichen Wettkämpfen auch noch einen 3. Platz. Herzlichen Glückwunsch !!

Ich habe mich entschlossen Ende Oktober 2007 nach Sri Lanka zu fliegen.
(Selbstverständlich wie immer auf eigene Rechnung)


 
Reisebericht November 2007 von Anneliese Woll

Viel zu schnell ist meine Zeit bei unseren Kindern in Sri Lanka vergangen und ich bin wieder zurück im kalten, deutschen Winterwetter.
Was bleibt ist Erinnerung an fast fünf Wochen, die ich im Chathura-Kinderheim, zusammen mit den Kindern verbringen durfte.

Bei der Fahrt vom Flughafen durch die Hauptstadt Colombo in die ca. 150 km entfernte Stadt Galle fällt auf, dass immer noch Ruinen der durch den Tsunami zerstörten Häuser am Straßenrand zu sehen sind.
Sie erinnern an die Zerstörungswut dieser fürchterlichen Flutwelle vor drei Jahren.
Die Küstenstraße ist mittlerweile gut ausgebaut worden. Immer wieder werden wir jedoch durch Armee- und Polizeicheckpoints gestoppt. Die Terrorgefahr ist immer noch allgegenwärtig. Der Bürgerkrieg im Norden und Osten der Insel hat viel Elend auf dieser schönen Insel verursacht.
Die Menschen hoffen auf ein baldiges Ende der Krieghandlungen, aber wann das sein wird, weiß niemand.

Den herzlichen Empfang in unserem Haus werde ich so schnell nicht vergessen. Vom ersten Moment an war ich ein Mitglied unserer großen Heimfamilie.


im neuen Schlafsaal im Chathura-Kinderheim in Sri Lankakleine Geschenke fuer die Kinder im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka
Die Schule und die Hausaufgaben am Nachmittag belegen einen großen Teil der Tageszeit. Alle Kinder haben in den zurückliegenden Jahren viel in der Schule versäumt.
Nadika im Chathura-Kinderheim in Sri LankaPrasad, Renuka und Nishanthi lernen fleissig im Chathura-Kinderheim in Sri LankaHausaufgaben im neuen Aufenthaltsraum im Chathura-Kinderheim in Sri LankaPrasannas Schulheft im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka
Aber danach bleibt noch genügend Zeit zum Spielen. auch in Sri Lanka backen die Kinder Sandkuchen im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka
Ich bewundere die Kinder, wie sauber ihre Schulhefte aussehen. Bei dieser Hitze kleben meine Finger am Papier und mir fällt das Schreiben schwer.
Früh morgens vor 6 Uhr stehen alle auf und machen sich für die Schule fertig. Duschen, Zähne putzen, die Mädchen flechten sich gegenseitig die schönen, schwarzen Haare, dann wird gefrühstückt und Nitha macht die Dosen mit der Schulmahlzeit fertig. Da der Brotpreis enorm gestiegen ist, gibt es morgens, mittags, abends und auch für die Schulpause Reis und Curry. Das ist aber nicht nur in unserem Haus so, überall in Sri Lanka essen die Leute mindestens 3 Mal am Tag fast das gleiche Essen. Reis mit Hühnchen oder Fisch und verschiedene Gemüsebeilagen.
Die Einheimischen benutzen übrigens kein Besteck zum Essen, gegessen wird mit den Fingern der rechten Hand. Auch ich habe mich angeschlossen und fast fünf Wochen mit den Fingern gegessen. Mit etwas Übung geht das ganz gut.
in unserem Teegarten im Chathura-Kinderheim in Sri Lankabald brauchen wir einen zweiten Tisch im Chathura-Kinderheim in Sri Lankabald brauchen wir einen zweiten Tisch im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka

 


In der Zeit zwischen 6 und 8 Uhr morgens ist es noch angenehm kühl, aber bald scheint die Sonne so stark, dass man sich nur noch im Schatten aufhalten kann. Niemand in Sri Lanka geht freiwillig in die Sonne. Nur wenn es wirklich sein muss und dann meist mit einem Schirm als Sonnenschutz.
Nicht nur der Brotpreis, auch alle anderen Grundnahrungsmittel sind innerhalb eines Jahres um das Doppelte, manchmal sogar das Dreifache gestiegen. Der Unmut in der Bevölkerung wächst, da die Einkommen immer noch auf dem gleichen Niveau stehen geblieben sind.

Da auch der Gaspreis jetzt sehr hoch ist, haben unsere Partner kurzerhand hinter dem Neubau eine offene Feuerstelle angelegt, in der, wie in vielen Haushalten in Sri Lanka heute immer noch üblich, mit Holz gekocht wird. Unsere Partner in Sri Lanka sind immer bemüht die laufenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Das unbehandelte Abfallholz bekommen wir vom örtlichen Zimmermann fast geschenkt.
Für einen großen Lastwagen voll haben wir gerade mal 6 Euro gezahlt.

Nitha bereitet das Essen in unserer Küche vor und bringt dann die Tontöpfe nach draußen zum Kochen. Die großen Mädchen helfen am Abend in der Küche mit. Jedes der Kinder übernimmt kleine Arbeiten im Haus.
Da das Holzfeuer, wie wir es ja auch vom Grillen kennen, eine sehr rauchige Angelegenheit ist, müssen wir dort einen richtigen offenen Kamin mauern, der überdacht ist, damit er auch bei Regen genutzt werden kann.

Am besten wäre ein seitlich offener, überdachter Verbindungsraum zwischen Küche und Feuerstelle, in dem auch eine geflieste Ablagefläche sein sollte.
Nitha bei der Kuechenarbeit im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Sri Lanka System - wir kochen auf Holzfeuer im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka
Die weißen Schuluniformen müssen sauber und korrekt gebügelt sein und die grünen Krawatten sollen perfekt sitzen. Dann werden die Schultaschen überprüft, ob auch wirklich nichts vergessen wurde. Viele der Kinder sind sehr zierlich und die Taschen voller Bücher sind wirklich schwer und ziehen bedrohlich nach unten.
morgens um 7 Uhr, fertig fuer die Schule im Chathura-Kinderheim in Sri Lankaauf dem Weg zur Schule im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka

Am Wochenende habe ich schon früh am Morgen ein Mädchen singen hören. Es war Disna, die den Hof kehrte und dabei wunderschön sang.
die Schwestern Disa und Sewandi im Chathura-Kinderheim in Sri LankaDisna im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka

Disna (10) und die 5-jährige -Sewwandi lebten zusammen mit noch einem Bruder und einer kleineren Schwester und ihrer Mutter im Libanon. Die arbeitete dort als Haushaltshilfe. Die Kinder waren sich selbst überlassen. Die kleine Disna hat für die jüngeren Geschwister gesorgt, während die Mutter zur Arbeit ging. Sie hat gewaschen, geputzt und gekocht, nur zur Schule ging sie nicht.
Die Mutter war nie verheiratet und die Kinder haben verschiedene Väter. Die Mutter ist in ihr Heimatland Sri Lanka zurückgekehrt und wurde hier zum Sozialfall. Der kleine Sohn wurde in einem buddhistischen Mönchsorden aufgenommen und wird dort zum Mönch erzogen. Die beiden kleinen Mädchen leben jetzt bei uns. Die Mutter hat bis heute noch nicht einmal nach den Kindern gefragt, obwohl sie sogar ein paar Tage im Haus gelebt hat, bis sie mit ihrer kleinsten Tochter in ein anderes Heim verlegt wurde. Sewwandi sagt jetzt sogar Mama zu unserer Heimleiterin.

Die Kinder fühlen sich alle sehr wohl hier und zeigen es auch, dass sie froh sind, dass sie bei uns leben dürfen. Einige Kinder wissen gar nicht wo Vater oder Mutter gerade leben. Viele Frauen und Männer in Sri Lanka gehen im Mittleren Osten arbeiten und überlassen die Kinder daheim ihrem Schicksal, bis dann doch irgendwann einmal das Jugendamt auf die Kinder aufmerksam wird. Deshalb haben auch alle großen Nachholbedarf in der Schule. Niemand hat sich darum gekümmert, dass sie zur Schule gehen.
Die Kinder werden uns vom Jugendamt in Galle bzw. per Gerichtsbeschluss zur langfristigen Betreuung übergeben. Das jüngste Kind ist 5 Jahre (ein Mädchen) und der älteste ist ein Junge von 18 Jahren. Die meisten Kinder kommen aus ganz schlimmen, familiären Verhältnissen und haben schon sehr viel Elend gesehen. So hat mir der kleine Prasad, der seit zwei Monaten bei uns lebt, ganz stolz sein Bett und seinen Schrank gezeigt.
Prasads Bett im Chathura-Kinderheimin Sri Lanka Prasads Schrank im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka

Wahrscheinlich hatte er zuvor kein eigenes Bett gehabt. Gerade Prasads Lebensgeschichte ist sehr traurig. Als seine Mutter mit ihm vor sechs Jahren schwanger war und zur Entbindung ins Krankenhaus ging, war sein Vater mit der damals 3-jährigen Schwester allein daheim. Im betrunkenen Zustand hat er das kleine Mädchen getötet. Er kam dann für sechs Jahre hinter Gittern. Als er dieses Jahr wieder raus kam, hat er das Gleiche bei Prasad auch versucht.
Seine Mutter arbeitet als Teepflückerin und war nicht daheim, aber die Nachbarn haben die Schreie gehört und sofort die Polizei verständigt, die den Jungen in Sicherheit brachte. Der Junge wehrt sich auch heute noch bei den geringsten Anlässen mit seinen kleinen Fäusten. Sicherlich hat er sich auch gegen seinen eigenen Vater auf diese Art wehren müssen.
Nur mit viel Liebe und Zuwendung können wir ihm zeigen, dass er bei uns ohne Angst leben kann. Seine Mutter ist vor Kurzem hier gewesen und hat ihm ein Stück Seife mitgebracht. Ich durfte daran riechen, dann hat er die Seife wieder zurück in die Schachtel gelegt. Sicherlich wird sie dort noch lange Zeit unbenutzt liegen.
Prasad ist oft abends in meinen Armen eingeschlafen.

Der 18-jährige Prasanna hat mit seiner Mutter in Colombo gelebt, seine Schwester Renuka und sein Bruder Jiwan bei den Großeltern in Galle. Da die Großeltern nicht mehr in der Lage waren die beiden Kinder zu versorgen, hat das Jugendamt alle drei Geschwister uns übergeben. Die Mutter der Kinder hat sich mit Gelegenheitsarbeiten etwas Geld verdient, während der Vater meist betrunken war. Prasanna hat als Touristen-Guide etwas Geld bekommen. Er drohte allerdings dabei auf die schiefe Bahn zu geraten. Wie ich jetzt erfahren habe, ist die Mutter mittlerweile auch nach Kuwait zum Arbeiten gegangen und fragt nicht nach den Kindern. Die drei gehören zur Volksgruppe der Tamilen und sind Christen.
die Geschwister Prasanna, Renuka und Jiwan im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Da Prasanna viele Jahre gar nicht zur Schule ging, wurde er jetzt in der Klasse der 14-jährigen eingestuft. Es muss schlimm für ihn sein, dass er noch weitere zwei Jahre in kurzen, blauen Hosen zur Schule gehen muss, während Jungen in seinem Alter bereits lange, weiße Schulhosen tragen. Aber er zeigt es nicht und strengt sich sehr an, damit er den O-Level (Hauptschulabschluss) besteht. Die meisten unserer Kinder sind in der Schule nicht ihrem Alter entsprechend eingestuft.
Aber alle sind ehrgeizig und waren sehr stolz, als sie am Weltkindertag bei den Wettbewerben unter allen Kinderheimen im Bezirk Galle zwei 1. Plätze und einen 3. Platz belegen konnten.
Viele traurige Geschichten habe ich gehört. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Kindern ein neues Zuhause geben konnten. Wenn alle am Nachmittag mit ihren Hausaufgaben beschäftigt sind und von allen Seiten nach Vinitha rufen, damit sie ihnen dabei hilft, bewundere ich ihre Geduld, mit der sie sich jedem einzelnen Kind annimmt.

Wenn die Kinder im Bett sind, setzt sie sich hin und erledigt die Schreibarbeiten für das Jugendamt. Oft ist es nach 10 Uhr wenn sie dann endlich auch schlafen gehen kann. Und am nächsten Morgen ist sie die Erste, die aufsteht und die anderen weckt.
Vinitha und Renuka im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Vinitha mit Sewwandi im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Nishanthi u. Vinitha im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka


Für jedes Kind hat sie einen Ordner angelegt, in dem die Übergabeunterlagen mit den persönlichen Daten der Kinder zu finden sind. Täglich muss sie dort eintragen, ob jedes Kind anwesend war, welches Essen es gegeben hat und ob irgend welche Vorkommnisse waren. Angestellte des Jugendamtes kommen unangemeldet ins Haus und schauen sich überall um. In der Zeit in der ich dort war, war auch eine solche Inspektion.

An diesem Tag war ich vormittags in Galle. Als ich am Nachmittag zurück kam, sagte man mir, dass sie auch mein Zimmer inspiziert hätten. Ein Glück, dass ich alles ordentlich hingelegt hatte. Die Bürokratie ist schrecklich in Sri Lanka. Auf jedem Haushaltsgegenstand klebt auf der Unterseite eine Nummer. In einer Liste sind alle Nummern den entsprechenden Gegenständen zugeordnet. Alles im Haus wurde von unseren deutschen Spendengeldern bezahlt. Was soll diese Auflistung bewirken? Die Gegenstände sind kein Staatseigentum. Aber über so manches darf man sich einfach keine Gedanken machen.
In den handschriftlichen Inspektionsberichten des Jugendamtes kann man nachlesen, dass sie mit Allem im Haus sehr zufrieden sind. Ich weiß, dass unser Haus weit über dem Standard in Sri Lanka liegt.

In den Schulferien im Dezember ist ein Ausflug in den Zoo von Colombo geplant. Alle Kinder freuen sich riesig darauf, da noch keines der Kinder jemals in einem Zoo war. Die Genehmigung für diese Fahrt musste drei Monate vorher beim Jugendamt beantragt werden. Als ich Ende November wegging, war noch keine Antwort da, ob die Fahrt genehmigt ist. Ich hoffe sehr, dass dies möglich sein wird.
alle moegen Nitha im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Vinitha und Prasad im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Nishanthi und ich im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Vinitha lernt Englisch im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka
Vinitha und Imasha im Chathura-Kinderheim in Sri Lanka Wenn ich Ende Januar 2008 meinen Dienst bei der Sparkasse Südwestpfalz beenden werde, um in die Ruhephase der Altersteilzeit zu gehen, weiß ich schon jetzt, dass ich wohl öfters und längere Zeit in Mabotuwana sein werde. Dann kann ich Vinitha etwas bei ihren täglichen Pflichten entlasten. Das Lesen üben mit den kleineren Kindern klappt schon ganz gut und ich präge mir dabei immer besser die singhalesischen Schriftzeichen ein.

Es gibt viel zu tun ... packen wir's an !!

bis bald.....


Ihre Anneliese Woll

Kinderhilfsprojekt Galle - Sri Lanka e.V.